STZ: Zwischen Champions League und Regionalliga

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Basti
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STZ: Zwischen Champions League und Regionalliga

Beitrag von Basti »

Zwischen Champions League und Regionalliga

Ein Vergleich der Talentförderung im Fußball beim deutschen Meister Bayern München und den Stuttgarter Kickers

Am Sonntag hat der Nachwuchs des Fußball-Meisters Bayern München bei den Stuttgarter Kickers (3:2) in der Junioren-Bundesliga gespielt. Doch damit hat es sich auch schon mit den Gemeinsamkeiten. In der Talentsichtung liegen Welten dazwischen.

Von Matthias Schmid

Michael Stegmayer hatte seine Sehnsucht zum siebten Geburtstag unmissverständlich zum Ausdruck gebracht: Er wollte von nun an in der Bettwäsche des deutschen Fußball-Meisters VfB Stuttgart abends einschlafen und morgens wieder aufwachen. Doch seine Eltern verstanden seine kindliche Zuneigung nicht. Sie erfüllten dem Sohnemann zwar den Wunsch einer neuen Bettgarnitur, die war jedoch statt mit dem VfB-Wappen plötzlich mit seltsam anmutenden weiß-blauen Rauten auf rotem Untergrund und dem Schriftzug "FC Bayern München" versehen.

"Von dem Tag an war ich dennoch ein Bayern-Fan", sagt der Heidenheimer heute. Elf Jahre sind seither vergangen, und mittlerweile träumt der 18-jährige Schwabe nicht mehr von der VfB-Bettwäsche, sondern von einem Vertrag als Profi-Fußballer. Am liebsten beim FC Bayern, wie er freimütig gesteht. Dort streift er sich nämlich das Dress der A-Junioren mit der Nummer 3 über und gewann am Sonntag das Bundesligaspiel gegen die Stuttgarter Kickers 3:2. Stegmayer hat einen lehrbuchreifen Werdegang hinter sich. Mit 15 Jahren in der württembergischen Auswahl von den bayerischen Talentspähern entdeckt, spielte Stegmayer als C-Jugendlicher noch ein Jahr in der B-Jugend des SSV Ulm, bevor er dann seine Sachen packte und im Jugendhaus des FC Bayern München an der Säbener Straße in Empfang genommen wurde. "Wenn wir erst mit 17 Jahren unsere Talente sichten, wäre das bereits zu spät", sagt der A-Jugend-Trainer Kurt Niedermayer.

Sind die dann erst einmal beim großen FC Bayern angekommen, beginnt die Plackerei. Denn wer glaubt, dass er schon jetzt alles erreicht hätte, der wird schnell auf den Boden der Tatsachen geholt. Sechsmal wöchentlich steht Training auf dem Programm, am Dienstag und Mittwoch sogar zwei Einheiten am Tag. Allein mit der Ausbildung auf dem Platz ist es in München, wo mit großem finanziellem Aufwand gefördert wird, längst noch nicht getan. Im Gegenteil: es soll darüber hinaus noch "das Abitur oder eine abgeschlossene Berufsausbildung" angestrebt werden, wie es Niedermayer ausdrückt. "Man lebt nur für den Fußball und die Schule", sagt der Abiturient Stegmayer.

Und wenn der atypische Verzicht in diesem Alter auf so etwas wie Discotouren oder Partys zur Berufung in die U-19-Nationalmannschaft führt, leidet man gerne. Doch das Beispiel von Stegmayer zeigt auch die Mängel des Systems. Aufgrund der bis zu 60 Pflichtspiele für die Landesauswahl, für die Nationalmannschaft und für den Bundesligaverein bewegen sich viele Spieler an der Grenze der physischen und psychischen Belastbarkeit. "Wir sind nur noch am Regenerieren", klagt Niedermayer. "Das Trainieren und die Ausbildung kommen dadurch zu kurz."

Szenewechsel: wenn der A-Jugend-Trainer der Stuttgarter Kickers, Wolfgang Schneck, über die Talentsichtung in seinem Klub spricht, fallen häufig Worte wie "Nichtabstieg", "einfache finanzielle Mittel" und "Spieler für das Regionalligateam herausbringen". Die Blauen haben weder ein systematisch aufgebautes Spielerbeobachtungssystem, noch können sie den Spielern Wohnmöglichkeiten zur Verfügung stellen. "Zu kostspielig, aber wir jammern nicht", sagt Schneck und preist das "sehr gute Trainerteam und das hervorragende Umfeld" des Vereins an.

Um dennoch wettbewerbsfähig zu bleiben, haben die Kickers nur eine Chance, wenn sie die Nischenplätze besetzen: zum Beispiel die Eltern. "Sie sind unsere besten Talentsichter", sagt Schneck; zum Beispiel die klubeigenen Kleinbusse. "Mit denen werden alle gerne ins Training gefahren", so der Coach; zum Beispiel die Nähe zum großen VfB Stuttgart. Schneck: "Diejenigen, die es dort nicht in die ersten Jugendmannschaften schaffen, kommen zu uns."

Michael Stegmayer will nicht zu den Kickers - er will zur WM 2006. Und gegen das Trikot mit dem Bundesadler haben seine Eltern auch nichts einzuwenden.

Aktualisiert: 09.09.2003, 05:05 Uhr
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