Esslinger Zeitung: Interview mit Hans Kullen

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gerko
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Esslinger Zeitung: Interview mit Hans Kullen

Beitrag von gerko »

"Am Realitätsverlust hatte ich zu knabbern"

21.11.2006

Der 64-Jährige vor der Mitgliederversammlung über den Sparkurs, Widerstände im Verein und Ziele einer weiteren Amtszeit

Stuttgart - Bei den Stuttgarter Kickers weiß man nie so genau. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch groß, dass auf der Mitgliederversammlung heute (19 Uhr) ein neuer Aufsichtsrat gewählt wird, der Hans Kullen erneut als Präsidenten beruft. Der 64-Jährige Reutlinger jedenfalls will weitermachen. "Um den Verein zu retten, musste ich ganz gewaltig gegensteuern - auch wissend, dass ich dem einen oder anderen weh tun muss", blickt Kullen im Gespräch mit Sigor Paesler zurück.

Sie sind seit Juli 2003 Präsident der Kickers. Was ist das Gravierendste, was sich seither geändert hat?

Kullen:

Da gibt es einige Punkte. Einer der gravierendsten Einschnitte war, den Spielern mitzuteilen, dass sie auf Gehalt verzichten müssen. Das war eine meiner ersten Handlungen als Präsident und es war auch für mich persönlich sehr schwierig, den Leuten Geld wegzunehmen.

Wie steht der Verein jetzt da?

Kullen:

Inzwischen sind wir so weit, dass sich der Verein finanziell so gut wie selbst trägt, was vorher natürlich nicht der Fall war. Wenn man sieht, dass ich in neun Monaten 1,2 Millionen Euro eingespart habe, zeigt das, wie schlecht es dem Verein ging.

Auch sportlich gab es Fortschritte. Was macht Sie mehr stolz: Der Aufwärtstrend in diesem Bereich oder die wirtschaftliche Konsolidierung? Immerhin präsentieren Sie auf der Jahreshauptversammlung erstmals seit Jahren schwarze Zahlen.

Kullen:

Da kann ich nicht widersprechen. Aber das eine war so schwierig wie das andere. Im Sport läuft das meistens parallel. Ich bin auf beides gleichermaßen stolz, weil man eine gewisse Kontinuität sieht und weil wir erstmals nicht mehr Geld ausgeben als wir haben. Sportlich hat uns die Höhenluft am Anfang der Saison vielleicht nicht ganz so gut getan. Es wäre schön, wenn wir wieder da hinkämen, wo wir vor ein paar Wochen standen.

Nach der schillernden Persönlichkeit von Axel Dünnwald-Metzler hatten einige im Verein Schwierigkeiten, sich auf Sie und Ihren ganz anderen Stil einzustellen. Dadurch geriet das Ergebnis der Arbeit manchmal in den Hintergrund. Ärgert Sie das?

Kullen:

Mich ärgert, dass überhaupt keine Bereitschaft da war, die Tatsachen anzuerkennen - ohne hier meinem Vorgänger einen Vorwurf zu machen, denn er war persönlich nicht für die Situation verantwortlich. Am Realitätsverlust einiger hatte ich zu knabbern. Um den Verein zu retten, musste ich ganz gewaltig gegensteuern - auch wissend, dass ich dem einen oder anderen weh tun muss.

Sich selbst mussten Sie auch weh tun, sie haben sicherlich mehr Geld in den Verein gesteckt als Sie vorhatten.

Kullen (lacht):

Das hatte ich so tatsächlich nicht erwartet. Aber es war neben den anderen Sparmaßnahmen noch das einzige, was weitergeholfen hat, weil eben sonst keiner zusätzliches Geld gegeben hat. Und ohne Geld kann ich eine Profimannschaft nicht führen.

Es wird ein neuer Aufsichtsrat gewählt, wieder wird es neue Gesichter geben. Auffällig ist, dass es seit Ihrem Amtsantritt in den Vereinsgremien ein ständiges Kommen und Gehen gibt.

Kullen:

Das hängt in erster Linie damit zusammen, dass jeder, der in ein Gremium kam, von der Situation überrascht wurde. Wenn man mit falschen Voraussetzungen in etwas hinein geht und dann mit der harten Realität konfrontiert wird, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder selbst in die Tasche greifen, oder den Rückzug antreten. Ich glaube aber schon, dass wir im Präsidium jetzt die richtige Mannschaft zusammen haben, um mit diesen schwierigen Zeiten fertig zu werden - und im Falle des Erfolges auch nicht gleich in Sphären abschwebt, mit denen wir noch nichts zu tun haben.

Gab es Momente, in denen Sie überlegt haben, alles hinzuschmeißen?

Kullen:

Wenn die Vernunft gesiegt hätte, hätte ich das tun müssen. Aber da ich ein Kämpfertyp und mit dem Sport verbunden bin, habe ich weitergemacht. Ich wusste genau, dass der Verein nicht aus den drei oder vier Querulanten, sondern vor allem aus ganz anderen Personen besteht. Die Arbeit mit den Sportlern und der Jugend ermutigt mich, sie nicht im Stich zu lassen.

Sie sind nicht in diesem Verein groß geworden, so zu sagen ein Quereinsteiger. Was bedeuten Ihnen die Stuttgarter Kickers?

Kullen:

Egal, ob man beim SSV Reutlingen oder bei den Stuttgarter Kickers ist: Die Spieler wachsen einem so schnell ans Herz, da entsteht ein richtig familiäres Verhältnis und eine Bindung. Das lässt einen auch an Tagen weitermachen, an denen es nicht so gut läuft.

Sie hatten bei Ihrem Amtsantritt auch angekündigt, das Verhältnis zum großen Nachbarn VfB Stuttgart zu verbessern, um in manchen Bereichen zu kooperieren. Wie ist da der Stand der Dinge?

Kullen:

Dafür, wie das Verhältnis schonmal war, sind wir einen großen Schritt vorangekommen. Wir haben mit Horst Heldt und Jochen Schneider vom VfB vereinbart, uns regelmäßig mindestens dreimal im Jahr zu treffen und uns auszutauschen. Das funktioniert sehr gut.

Die Chance, dass Sie vom neuen Aufsichtsrat erneut als Präsident berufen werden, ist groß. Was sind Ihre Visionen für die kommenden drei Jahre?

Kullen:

Noch bin ich nicht im Amt bestätigt. Meine Ziele sind: Wenn wir je den Aufstieg in die zweite Liga schaffen, uns dort zu halten. Davor muss man aber erst einmal den Aufstieg schaffen und das ist auch eine Frage der finanziellen Möglichkeiten. Der Weg, mit einem kleineren, aber qualitativ besseren Kader zu arbeiten, ist der richtige.

Falls es nicht mit dem Aufstieg klappt, könnten Sie auch mit der Qualifikation für die dritte Liga, die in der Saison 2008/2009 eingeführt wird, leben?

Kullen:

Im Zweifel müsste ich damit leben. Denn es steigen ja nur zwei Mannschaften in die zweite Liga auf, und es sind mehr, die das wollen. Die Vereine, die im Moment vor uns stehen, haben ganz andere finanzielle Möglichkeiten. Deshalb wäre es schon ein kleines Wunder, wenn wir trotzdem den Aufstieg schaffen würden.

Quelle: Esslinger Zeitung

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McVillager
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Beitrag von McVillager »

StN und StZ schreiben heute auch über unsere JHV. Die StN wieder sehr kritisch zu Kullen: http://www.kickersnews.de/?p=343
Wem die Scheiße bis zum Hals steht sollte den Kopf nicht hängen lassen!

Die Kickersnews: http://www.kickersnews.de" onclick="window.open(this.href);return false;
Das Kickersarchiv: http://www.kickersarchiv.de" onclick="window.open(this.href);return false;

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Roland
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Beitrag von Roland »

Kullens Kurs wird bestätigt

22.11.2006

Präsident der Stuttgarter Kickers bleibt für weitere drei Jahre im Amt

Stuttgart - So genau wusste gestern Abend auf der Mitgliederversammlung niemand mehr, wann die Stuttgarter Kickers zuletzt schwarze Zahlen geschrieben haben. Deshalb war das Präsidium um Clubchef Hans Kullen umso stolzer, als Ergebnis der abgelaufenen Spielzeit (Stichtag 30. Juni) einen Gewinn von 67 817 Euro zu verkünden. Als Belohnung wurde Kullen und seine Mannschaft vom neuen Aufsichtsrat im Amt bestätigt.

Von Sigor Paesler

Das war die spannendste Frage des Abends: Würden die Mitglieder Kullens Kandidaten in den Aufsichtsrat wählen? Davon hatte der 64-Jährige Reutlinger sein Weitermachen abhängig gemacht. Und deshalb überlegten sich einige der zahlreichen Kritiker wohl genau, ob sie einer Palastrevolution anzetteln sollten. Denn die Argumente hatte der 64-Jährige auf seiner Seite: Erfolgreicher Konsolidierungskurs und sportlicher Aufwärtstrend. Kullen gab denn auch vor 240 anwesenden Mitgliedern den Slogan aus: "Das Ziel ist der Aufstieg in die zweite Liga - die Bedingung dafür ist eine solide Vereinsführung."

Schließlich ging alles glatt: Nachdem die alten Gremien mit großer Mehrheit entlastet worden waren, wurden Christian Mauch als Vorsitzender, Christian Dinkelacker, Kai-Uwe Völschow und Rainer Lorz wurden im Amt bestätigt. Walter Kelsch, Frieder Kummer, Klaus Lang, Heinz Höfinger und Alexander Lehmann wurden neu in den Aufsichtsrat gewählt. Die Neun wurden als Team gewählt. Joachim Bay schied aus persönlichen Gründen aus. Gerhard W. Kluge, der sein bisheriges Amt wegen eines Verfahrens hatte ruhen lassen, zog seine Kandidatur kurzfristig zurück. Er beheilt sich jedoch eine Anfechtung der Wahl vor, weil er sich im Vorfeld unter Druck gesetzt fühlte. Als erste Amtshandlungen berief der Aufsichtsrat Kullen, Dieter Wahl, Dirk Eichelbaum, Jürgen Köhn und Edgar Kurz erneut ins Präsidium.

Finanzexperte Eichelbaum verkündete die positiven Zahlen. 67 000 Euro mag kein üppiger Gewinn sein. Die Entwicklung der vergangenen Jahre aber ist beeindruckend. In der ersten Saison nach dem Abstieg in die Regionalliga vor vier Jahren betrug der Verlust noch 1,379 Millionen. Vor zwei Jahren lag er bei 231 000, vergangenes Jahr bei 190 000 Euro - da liest sich jeder Gewinn als Triumph des Sparkurses. Der Gesamtschuldenstand sank entsprechend leicht auf 1,06 Millionen Euro. Zustande kam die schwarze Zahl vor allem durch Mehreinnahmen in den Bereichen Spielbetrieb (plus 112 775 Euro), was vor allem auf die Einnahmen aus dem DFB-Pokal zurückzuführen ist, und Werbung (plus 190 166 Euro). Zudem wurden "außerordentliche Erträge" in Höhe von fast 150 000 Euro verbucht (Vorjahr 25 000), wohinter sich ein Zinsverzicht der Darlehnsgeber Kullen und Ursi Dünnwald-Metzler verbirgt. "Wir fahren so langsam die Früchte der harten Arbeit in den vergangenen Jahren ein", meinte Kullen.

Becherwurf kostet 70 000 Euro

Auch für die laufende Saison rechnen die Kickers mit einer positiven Bilanz. Dafür sollen in erster Linie die Einnahmen aus dem DFB-Pokal sorgen. Zudem werden die Werbeerlöse im Vergleich zum Vorjahr voraussichtlich um 43 Prozent steigen. Allerdings drohen den "Blauen" wegen des abgebrochenen Pokalspiels gegen Hertha BSC Berlin - ein "Fan" hatte den Schiedsrichterassistenten mit einem gefüllten Bierbecher getroffen - weitere Kosten. Der DFB, der die Kickers zu einer Geldstrafe in Höhe von 10 000 Euro verdonnert hatte, macht den Kickers obendrein zur Auflage, an der Gegengerade vor dem Fanblock ein Fangnetz zu installieren. Kosten: rund 50 000 Euro. Rechnet man die fehlenden Eintrittsgelder aus dem "Geisterspiel" gegen Elversberg in Höhe von rund 10 000 Euro hinzu, kostet die Kickers der Spielabbruch und dessen Folgen insgesamt rund 70 000 Euro.

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